«Es ist unmöglich, nicht bewegt zu sein von Wer sind wir?
Wer sind wir? ist bedrückend und hoffnungsvoll, nachdenklich und amüsant.»
OUTNOW
«Romantisiert wird nichts, gezwungen tragisch dargestellt ebenso wenig.»
Clara Vuille-dit-Bille, Basler Zeitung
«Dieser Film ist ein starkes Votum für eine offene und solidarische Gesellschaft.»
Mary-Claude von Arx, Insieme
«Wer sind wir? ist ein starker und wichtiger Film, weil er anregt
Normen zu überdenken, Normen, welche unserem Wertesystem zugrundeliegen.
Von einer Aufweichung dieser rigiden Normen und Definitionen,
was denn nun als «normal» oder «nicht normal» gilt würden alle profitieren.»
Gisela Feuz, RaBe
Wie gehen wir damit um, wenn alles anders kommt, als wir uns das vorgestellt haben? Helena (19) und Jonas (11) sind Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf und stellen ihre Eltern, Familien, Schule und die Gesellschaft auf die Probe. Der Film durchbricht mit ihnen die Wand, die sie von unserer Welt trennt, zeigt wie sich Sprache und Gemeinschaft von Grund auf entwickeln – und stellt uns die Frage, wer wir sind.
Regie und Buch | Edgar Hagen |
Kamera | Aurelio Buchwalder |
Ton | Simon Graf |
Musik | Tomek Kolczynski |
Editor | Tania Stöcklin |
Colour grading | Roger Sommer |
Sound Design | Oswald Schwander |
Mischung | Ralph Krause |
Stimme | Stefan Kurt |
Produzent | Pascal Trächslin |
Produktion | Cineworx Filmproduktion GmbH |
Koproduktion | SRF Schweizer Radio und Fernsehen |
Mit der Unterstützung:
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In meinen Filmen erzähle ich, wie sich das Leben anhand brüchiger Bedingungen und Voraussetzungen neu erfindet. Das Leben verlangt nach Entwicklung und Veränderung. Normen werden hierbei durchbrochen – Lebensformen und Geisteszustände wandeln sich. Der Umgang mit Randgruppen ist in meinen filmischen Erkundungen zentral. Denn gesellschaftliche Visionen gibt es nur unter Einbezug von allen. Die Lebenssituation von Behinderten, Psychotikern und Schizophrenen war in unserer Familie seit frühester Kindheit ein existenzielles Thema. Vor diesem persönlichen Hintergrund stelle ich in einigen meiner Filme die Frage, wie Menschen aus festgefahrenen mentalen und sozialen Nischen ausbrechen können und sich Lebenssituationen positiv verwandeln lassen.
In «Wer sind wir?» beobachte ich diesen Transformationsprozess in neuer, umfassender Form. Am Anfang jeder persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung steht die Notwendigkeit zur Veränderung. In diesem Film ist das ein Moment völliger Überforderung: wenn Eltern trotz sorgfältiger Vorabklärungen und ohne Vorahnung mit einem geistig behinderten Kind konfrontiert werden. Ihre Vorstellungen und Erwartungen werden auf den Kopf gestellt. Ausgehend vom anfänglichen Erschrecken der Eltern nach der Geburt ihrer behinderten Kinder begibt sich der Film mit Helena und Jonas und ihren Eltern auf einen Weg der permanenten Verwandlung: Zukunfts- und Glücksvorstellungen werden hinterfragt und in sozialen Netzen neue Lebensqualitäten entdeckt.
Der Weg, den die Eltern mit ihren Kindern zurücklegen, wird im Film zu einer Entwicklungsreise, auf der wir uns alle befinden. Denn die Gesellschaft hat es sich mit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen 2006 zur Aufgabe gemacht, die allgemeinen Menschenrechte allen Menschen einzuräumen – behinderte Menschen haben das gleiche Recht auf Entwicklung.
Die Behindertenrechtskonvention wurde bis heute von 177 Ländern unterzeichnet. In Deutschland trat sie 2009, in der EU 2011 und in der Schweiz 2014 in Kraft. Wie spannend und weitreichend diese Verpflichtung ist, wurde mir durch die Arbeit an diesem Film bewusst. Ihre konsequente Umsetzung hinterfragt radikal bestehende gesellschaftliche Normen und verlangt einen Umbruch im Denken und Handeln der Mehrheit, mit Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft. In meinem Film wollte ich den Weg der Inklusion, der sich daraus ableitet, als einen faszinierenden und anspruchsvollen Erkenntnisweg darstellen. Es ist ein Weg der Aufklärung mit Fragen zur gesellschaftlichen und persönlichen Verantwortung.
Entlang des Wegs von Helena und Jonas konnte ich erkennen, wie neue soziale Netze entstehen und wie zentral solidarischer Zusammenhalt für diese Entwicklungsprozesse ist – nicht nur für Helena und Jonas, sondern für alle Personen aus ihrem Umfeld. Eindrücklich ist, welche Impulse von den behinderten Kindern ausgehen, wie sich die Bedingungen umkehren: So lernen an der Schule von Jonas nicht-behinderte Kinder und die Lehrerinnen von Jonas viel über Chancen, Ehrlichkeit und neue Formen der Verständigung. Es stellt sich hier in einem intimen Einblick in den Schulalltag dar, wie in dieser inklusiven Gemeinschaft bei allen Beteiligten positive Entwicklungsprozesse ausgelöst werden.
Helena und Jonas setzen im Film Impulse. Sie stellen existenzielle Fragen, durchbrechen Normen und lösen Entwicklungen aus. Zusammen mit ihnen werden wir herausgefordert zu lernen, wie Kommunikation auch unter anderen Voraussetzungen funktionieren kann. Wo Behinderte früher in Isolation und Abhängigkeit lebten, entstehen heute im Umfeld von Helena und Jonas – wie in einem experimentellen Labor – neue Formen der Verständigung auf Augenhöhe. Die Gesellschaft hat die Chance, mit diesen Impulsen eine neue Sprache zu erlernen.
Edgar Hagen
Interview mit Edgar Hagen über den Film, Entwicklung und Verständigung sowie Gemeinschaft und die Suche nach Glück
Du hast bereits einige Filme über Lebensformen realisiert, die ausserhalb der Norm liegen. Was fasziniert Dich an Menschen, die nicht der Norm entsprechen?
Die Norm ist ein Konstrukt, ein Ausdruck der Gewohnheiten der Mehrheitsgesellschaft oder ein Machtinstrument zur Besitzstandswahrung. Sie ist dem Leben übergestülpt. Die Norm versucht, Leben in Bahnen zu lenken. Doch Menschen entsprechen nicht der Norm. Es gibt keine «Norm-Menschen». Aber es gibt Menschen, die sich innerhalb der Norm bewegen. Andere fallen aus der Norm. Durch Normen werden Menschen ausgeschlossen, aufgrund schwieriger oder anderer Voraussetzungen. Mich interessiert, was Normen anrichten und mit Menschen machen. Es geht in meinen Filmen um unterschiedliche Bedingungen und Voraussetzungen, mit denen Menschen in der Welt stehen. Es geht darum, Normen zu durchbrechen sowie Lebensformen und Geisteszustände zu verwandeln. Mich interessiert es, ein ganzheitliches Bild zu entwickeln – und da gehören Menschen, die von der Norm ausgeschlossen sind, dazu.
Hat sich dein Verständnis zum Thema «Anders sein» während der Herstellung des Films entwickelt?
Am Anfang dieses Films steht bei mir, wie bei allen, die in irgendeiner Form mit diesem Film zu tun haben, das Unverständnis – das Nicht-Verstehen oder die Überforderung. Ich kann mich mit der Mutter von Helena und den Eltern von Jonas identifizieren, die im Film beschreiben, wie rätselhaft ihnen zu Beginn des Films ihr eigener Sohn und ihre eigene behinderte Tochter waren. Zu Beginn des Films stand ich im Umgang mit Helena und Jonas auch vor diesem Rätsel. Den Weg, den die Eltern mit ihren Kindern zurücklegen, wird im Film zu einem Erkenntnisweg, auf dem wir uns alle befinden. Die Gesellschaft befindet sich in einem Transformationsprozess, öffnet sich und muss sich weiter öffnen. Wir sind noch immer mit der Umsetzung der allgemeinen Menschenrechte beschäftigt, die in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen für Behinderte eingefordert und beschlossen wurden. Ich wollte diesen Weg nicht als Leidens-, sondern als einen Erkenntnisweg darstellen. Ausgehend vom anfänglichen Erschrecken der Eltern bei der Geburt eines behinderten Kindes ist die persönliche Wandlung das Kunststück, das der Film zusammen mit seinen ProtagonistInnen vollzieht, indem sie neue Qualitäten und Lebensziele entdecken. Der Film erzählt von diesem Umbruch der Wahrnehmung. Es ist ein Transformationsprozess, den alle ProtagonistInnen im Umfeld von Helena und Jonas durchmachen. Die Entdeckung dieser besonderen Qualitäten wurde auch für mich, wie für den Kameramann oder die Editorin zu einem Erlebnis – sonst hätte sich die Geschichte in dieser subtilen Art gar nicht erzählen lassen.
Wie ist die Idee zu diesem Film entstanden?
Seit ich Filme mache, arbeite ich an dem Thema der Transformation. Im Zentrum meiner ersten Filme standen Menschen, die keine oder nur über eine reduzierte Sprache verfügen. Ich habe mit Obdachlosen, Behinderten, Psychotikern und Schizophrenen Filme gedreht. Und ich habe mich immer gefragt, wie der Weg vom Rand ins Zentrum der Gesellschaft aussehen könnte. Ich kenne diese Not aus meiner eigenen Familiengeschichte. Ihre Lebenssituation war seit meiner frühesten Kindheit ein zentrales Thema zuhause. Wie grundsätzlich und hochpolitisch diese Auseinandersetzungen sind, wurde mir im Verlauf meiner filmischen Arbeit immer bewusster. Ich habe mich vertieft mit den Extremformen des Geistes, der Psychose, der Schizophrenie und möglichen Auswegen oder Heilungswegen auseinandergesetzt. Nicht die Behandlung der Psychose interessierte mich, sondern die Überwindung der Psychose. Die Darstellung dieses Kraftakts, der ein Lernfeld für alle ist. Ich habe auch mit Psychiatern, Psychoanalytikern, Psychotherapeuten und mutigen Menschen zusammengearbeitet, die bereit waren, den Rahmen der Normen zu durchbrechen, welche das vorhandene Potenzial von vielen Menschen verhindern. Ich habe mit Fachpersonen gearbeitet, die das Potenzial der Menschen gesehen haben und nicht das Problem. Die Frage «Wer sind wir?» stellte sich in meinen Filmen öfters: wie können wir durch Extremformen des Geistes uns selber verstehen lernen? Die Filme haben grundsätzliche Diskussionen ausgelöst. Den Film «Someone Beside You» (2007) habe ich während fast einem Jahr mit vielen Diskussionen begleitet.
Nach einer dieser Vorführungen kam Veronika, die Mutter von Helena, auf mich zu. Sie fühlte sich davon angesprochen, was ich in diesem Film erzählte. Sie mochte den konstruktiven Weg, den der Film einschlug und sie erzählte mir schon damals von ihrem eigenen Weg, den sie mit ihrer Tochter Helena zurücklegte. Sie wollte mich schon damals – vor ca. zehn Jahren – für ihre Geschichte gewinnen. Doch ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen, mich damit auseinanderzusetzen. Ich wollte nicht den nächsten Film mit einer ähnlichen Thematik machen. Ein paar Jahre später kam dann der Produzent Pascal Trächslin auf mich zu und meinte, er habe eine Geschichte für mich. Er zeigte mir Material, das Veronika über Jahre mit ihrer Tochter Helena selbst gedreht hat. Das Material war berührend und liess mich nicht mehr los. Ausgehend von diesen Aufnahmen stellte sich mir die Frage, was für eine Geschichte daraus werden könnte und wie sie erzählt werden müsste. Daraus folgte ein mehrjähriger Prozess mit vielen Begegnungen. Ich konnte mir nicht vorstellen, einen Portrait-Film ausschliesslich über Helena und Veronika zu machen, sondern suchte nach dem universellen Kern der Geschichte. Nach einigen Monaten veränderte sich die Ausgangssituation plötzlich. Veronika und Helena lebten damals noch zusammen in einer Wohnung. Helena begann zu rebellieren und drängte gewaltsam auf eine Veränderung ihrer Situation. Veronika fühlte sich zu diesem Zeitpunkt von Helena körperlich bedroht, es kam zu Übergriffen der Tochter auf die Mutter. Sie konnten nicht mehr zusammenleben. Die Situation drängte nach einer Veränderung. In diesem Moment kam die Gesellschaft ins Spiel: es ging nicht mehr um das Verhältnis der Mutter zu ihrer behinderten Tochter, sondern um das Verhältnis von Helena zur Gesellschaft. Dadurch fühlte ich mich direkt angesprochen und fand einen neuen Zugang zu dieser Lebensgeschichte. An diesem Übergang machte ich selbst die ersten Aufnahmen, auf der Autofahrt mit Veronika und Helena von ihrem alten Zuhause in der Ostschweiz in ein Wohnheim in Basel. Es war eine aufgeladene Situation und ich entwickelte, von der Frage aus, welchen Platz die Gesellschaft Helena einräumen wird, den ganzen Film. Die Psychotherapeutin Barbara Senckel spielte hier eine zentrale Rolle. Sie half Veronika und auch mir zu einem tieferen Verständnis von Helena. Barbara Senckel führte mich auch mit Jonas und seinen Lehrpersonen zusammen. Von diesem Punkt an war klar, dass es ein Film über Helena und Jonas und ihren Weg in die Gesellschaft werden würde.
Wie hast du dann die restlichen Protagonisten gefunden?
Ausgehend von der Grundidee einen Film mit Helena und Jonas zu machen, entwickelte sich das Finden der weiteren Protagonisten organisch. Im Film sind alles Personen, die Schlüsselrollen einnehmen, um Helenas und Jonas’ Weg in die Geselllschaft vorzuspuren. Es galt die Menschen und Institutionen dafür zu gewinnen, die in einem Verhältnis zu Helena und Jonas stehen. Veronika sowie Axel und Stefanie, die Eltern von Jonas, waren die Türöffner. Sie setzten alles daran, dass dieser Film möglich wurde. Für Helena war der Schritt in eine betreute Wohngemeinschaft und zu sinnvoller Beschäftigung entscheidend. Für Jonas war es der Schritt in eine normale Schulklasse. Helena und Jonas setzen im Film Impulse. Sie werfen existenzielle Fragen auf. Zusammen mit ihnen werden wir herausgefordert zu lernen, wie Kommunikation auch unter anderen Voraussetzungen funktionieren kann. Wo Behinderte früher in Isolation und Abhängigkeit lebten, entstehen heute im Umfeld von Helena und Jonas – wie in einem experimentellen Labor – neue Formen der Verständigung auf Augenhöhe. Die Gesellschaft hat die Chance, mit diesen Impulsen eine neue Sprache zu erlernen.
Die Kameraarbeit hat etwas sehr Verspieltes. Wie ist dieses visuelle Konzept entstanden?
Die Kameraarbeit war in der Umsetzung dieses Films sehr zentral. Mir war von Anfang an bewusst, dass der Film «atmen» muss. Die Ausdrucksweisen von Helena und Jonas sind anders, als wir es uns gewohnt sind. Beide drücken sich über den ganzen Körper aus. Die Kamera sollte dieser Tatsache Rechnung tragen. Sie sollte in Beziehung treten, kleinste Nuancen wahrnehmen, in denen sich Helena und Jonas ausdrücken. Die Kamera ist das Auge des Zuschauers. Mir ist im Verlauf meiner filmischen Arbeit klar geworden, dass sich der Kontakt zu einer Person nicht zwingend frontal vermittelt. Ich kann hinter oder neben einer Person stehen, ich kann sie nah oder total zeigen, das ist alles möglich, aber nicht wirklich entscheidend. Entscheidend ist, dass ich in der Position, die ich einnehme in Beziehung trete zu der Person, die ich filme. Solange ich zu ihr in Beziehung stehe, könnte ich sie auch von hinten zeigen oder nur ihr zuckendes Bein oder ihre Hand. Wichtig war mir dabei auch, dass diese Beziehung immer eine Begegnung auf Augenhöhe ist. Es war das zentrale Anliegen, einen direkten Kontakt zwischen dem Betrachter und den ProtagonistInnen herzustellen. Dafür musste die Kamera entfesselt sein – und sie musste Nähe eingehen.
Ich wusste, dass das nur mit einem Kameramann möglich ist, dem ich in der Situation volles Vertrauen geben kann. Ich hatte mich dazu entschieden, mit dem jungen Kameramann Aurelio Buchwalder zu arbeiten. Ausschlaggebend war für mich seine Sensibilität und Fähigkeit, sich mit Selbstvertrauen auf die Situationen und die Personen einzulassen. Wir drehten mit offener Blende und geringer Tiefenschärfe – und versuchten Statik zu vermeiden. Die Kamera sollte in den Drehsituationen mit den ProtagonistInnen nicht auf einem Stativ stehen. Dass wir den Film aus der Hand drehen, nahm Aurelio wörtlich. Er hatte die Kamera wirklich in der Hand, ohne Steadycam oder Easyrig oder andere Hilfsmittel. Die Bilder erhalten dadurch eine physische Direktheit. Wir gingen das Risiko ein, gröbere Fehler zu machen und nahmen Unschärfen in Kauf, die im Film kaum mehr sichtbar sind. Es war klar, dass wir Ausschuss produzieren würden. Das Einzige, was nicht passieren durfte, war, dass die Kamera ohne einen Bezug zur Person lief. Ziel war es, den Voyeurismus zu durchbrechen. Durch die Offenheit des Blicks entstand eine sensible Bildwelt und eine Ästhetik, die den Menschen Raum gibt, sie interessant macht. Wir haben diese Methode auch auf Gesprächssituationen angewandt. Wir haben uns schliesslich dazu entschieden, Gespräche mit zwei Kameras zu filmen. Eine fixe, die den Blickkontakt mit den ProtagonistInnen sucht und den Aussagen Statement-Charakter gibt, sowie eine freie Handkamera.
Die Nähe, die der Film eingeht, wollte ich an einzelnen Stellen brechen und bewusst in eine andere, distanzierte Betrachtung der Szenerie gehen. In fixen Topshot-Einstellungen, die wir mit der Drohne gefilmt haben, frage ich mich, wo wir sind. Diese Einstellungen öffnen den Raum zu grundsätzlichen Fragen, was mir und dem Betrachter den Raum gibt, sich selber zu positionieren.
Was waren deine grössten künstlerischen Herausforderungen bei diesem Film?
Den Transformationsprozess, den ich mit dem Film und seinen ProtagonistInnen darstellen wollte, musste ich vorab formulieren können. Diese Verwandlung in einem Konzept darzustellen, stellte sich für mich als riesige Herausforderung dar. Es fühlte sich so an, als müsste man mit der Kamera ein gesellschaftliches Stigma durchbrechen. Dabei bedeutet Transformation hier auch, die eigenen Abwehrmechanismen zu durchbrechen und Personen, die ausgegrenzt werden, zu entdecken und wertzuschätzen. Diese Prozesse haben sich über Monate hingezogen. Eine Herausforderung war auch die innere Verbindung herzustellen zwischen den zwei Strängen. Der Strang von Veronika und Helena sowie der Strang der Familie Lankenau. Ich sah, wie diese Geschichten ineinandergriffen. Aber wie dies im Detail funktioniert, musste ich in vielen Annäherungen an die ProtagonistInnen zuerst ohne Kamera herausfinden. Diese Vorbereitung war entscheidend, um mit einem klaren Plan in die Dreharbeiten zu gehen. Das Konzept ist wie eine Landkarte dieser inneren Prozesse.
In erster Linie folgen wir in dem Film den persönlichen Schicksalen und der individuellen Suche nach Glück. Inwiefern ist der Film aber auch politisch?
Helena und Jonas sind alleine nicht überlebensfähig. Bei ihnen ist offensichtlich, was bei uns nur latent ist. Der Kreis muss also geöffnet werden. Wir können in diesem Film erleben, wie zentral der soziale Zusammenhalt für Entwicklungsprozesse ist, nicht nur für Helena und Jonas, sondern auch für ihr Umfeld. Ganz eindrücklich zeigt sich das an Jonas’ Schule, wie die Kinder und Lehrerinnen von Jonas lernen können. Der Film stellt nicht eine individuelle Suche nach dem verlorenen Glück dar. Er zeigt vielmehr, wie in Gemeinschaft mit Helena und Jonas bei allen Beteiligten Entwicklungs- und Erkenntnisprozesse in Gang gesetzt werden, die Glücksmomente beinhalten. Diese sind bei den MitschülerInnen in Jonas’ Schulklasse besonders berührend.
Die Bewegung und Öffnung vom privaten in den kollektiven Raum, die der Film mit Helena, Jonas und ihren Eltern vollzieht, entspricht auch einer grösseren gesellschaftlichen Entwicklung. Dass Behinderte als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft ernst genommen werden, ist ein neueres Phänomen und auch nicht konsequent umgesetzt. 2006 wurde von den Vereinten Nationen die UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet. Sie wurde seither von 177 Staaten unterzeichnet. In Deutschland wurde sie 2009 in Kraft gesetzt, in der EU 2011, in der Schweiz 2014. Sie räumt behinderten Menschen die gleichen Rechte ein. Behinderung ist nicht mehr ein privates Problem, sondern eine selbstverständliche Realität der Gesellschaft. Das tönt bestechend einfach, ist aber weitreichend. Die konsequente Umsetzung der Behindertenrechtskonvention setzt spannende Lernprozesse in Gang, die die Gesellschaft verändern und öffnen. Der Film leistet einen Beitrag in einem gesellschaftlichen Prozess, indem er zeigt, wie diese gesellschaftliche Öffnung unter extremen Bedingungen gelingen kann und was sie uns allen an Mehrwert bringt. In diesem Sinn dürfte er ermutigend und für Menschen inspirierend wirken, weiter zu gehen, als sie bisher gegangen sind.
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Die Schweizer Produktionsfirma Cineworx Filmproduktion konzentriert sich, unter der Leitung von Pascal Trächslin, auf die Entwicklung und Realisierung von Spiel- und Dokumentarfilmen für das Fernsehen und das Kino mit Auswertungschancen auf dem nationalen oder internationalen Arthousemarkt. Cineworx Filmproduktion wurde im Dezember 2004 als unabhängige Schwesterfirma des Filmverleihs Cineworx GmbH gegründet.
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